Vorsorge
Wer in der Schweiz gearbeitet oder freiwillig von Deutschland aus in die AHV einbezahlt hat, erwirbt AHV-Rentenansprüche. Manche haben AHV-Ansprüche bei einer Scheidung über das Splittingverfahren erworben und denken gar nicht mehr daran. Was mit diesen Ansprüchen geschieht, wenn der Rentenberechtigte verstirbt, sei anhand eines Beispiels für ein Ehepaar erläutert.
Verstirbt die Ehefrau, hat ihr Mann nur unter engen Voraussetzungen Anspruch auf eine Witwerrente der AHV, etwa wenn er ein Kind unter achtzehn Jahren betreut. In einer normalen Rentnersituation wird er leer ausgehen.
Umgekehrt: Verstirbt der Ehemann, schützt das System der AHV die Witwe grosszügig, wenn sie zu diesem Zeitpunkt mindestens 45 Jahre alt ist und mindestens fünf Jahre verheiratet war (egal mit wem). Die Witwenrente beträgt achtzig Prozent der Rente des Verstorbenen und Zuschläge können hinzukommen. Dahinter steckt natürlich noch das Bild der nichterwerbstätigen Ehefrau, die es abzusichern gilt.
Hatte der Verstorbene auch eine deutsche gesetzliche Rente, geht diese als Hinterbliebenenversorgung ebenfalls teilweise auf den Längerlebenden über – wobei es in Deutschland auf das Geschlecht des Hinterbliebenen nicht ankommt.
Bei der Rentenplanung zu berücksichtigen ist aber, und das dürfte viele überraschen, dass es zu Kürzungen dieser Hinterbliebenenrente kommen kann, wenn das Gesetz unterstellt, dass der Längerlebende gut abgesichert sei.
Für alle Todesfälle nach dem 1. Januar 2002 gilt neues Rentenrecht. Aus Gründen des Vertrauensschutzes wird teilweise das alte Rentenrecht aber noch auf Ehen angewandt, die vor diesem Datum geschlossen wurden und wenn einer der Ehepartner vor dem 2.1.1962 geboren ist. Vertrauensschutz heisst etwas vergröbert: Die Hinterbliebenenrente wird um vierzig Prozent desjenigen Betrages gekürzt, die der Längerlebende selbst als seine gesetzliche Rente oberhalb von derzeit rund 1.500 Euro erhält.
Heiraten aber heute junge Menschen oder zwei ältere Menschen, die vor 1962 geboren wurden, wird das neue Rentenrecht ohne Vertrauensschutz angewandt. Es kommt dann zu viel-fältigen Kürzungen bei der Hinterbliebenenrente.
Die erste Kürzung betrifft die Quote: Nicht mehr sechzig Prozent wie in der Vergangenheit, sondern nur noch 55 Prozent der Rente des Verstorbenen gehen auf den Längerlebenden über. Dann wird die Versorgungssituation des Längerlebenden geprüft. Das sind zum einen die eigenen Rentenansprüche, und zwar alle, auch die, die sich aus der AHV und Zusatzversorgungen ergeben. Zum anderen sind dies vom Verstorbenen übergegangene Betriebsrenten. Ebenfalls Anrechnung finden eigene und gerade ererbte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, auch solche etwa aus der Schweiz und sonstige Vermögenseinkünfte wie Zinsen und Dividenden.
Diese Einkünfte werden, weil dafür ja auch Kosten anfallen und vom Hinterbliebenen Einkommensteuer zu bezahlen sind, um zehn bis zwanzig Prozent für die Berechnung der Kürzung reduziert und dann das Ganze um einen Freibetrag vermindert, der derzeit bei gut 900 Euro monatlich liegt. Vierzig Prozent von dem, was übrigbleibt, ergibt den Abzugsbetrag. Dies ist der Betrag, um den dann die Hinterbliebenenrente der deutschen Rentenversicherung gekürzt wird.
Das ist nicht nur kompliziert, sondern etwas, was bei den Zukunftsplanungen bisher nicht hinreichend einbezogen wird. Schaut man sich das aber genauer an, ergeben sich Stellschrauben. Dann stellt sich die Frage, ob etwa das Schweizer Chalet auch künftig vermietet werden soll oder ob man als Erblasser eine vermietete Eigentumswohnung nicht lieber schon den Kindern überlässt mit dem Recht des Erben auf die Mieten dann zuzugreifen, wenn eine Pflegeheimsituation das notwendig macht.
Kürzungen der Hinterbliebenenrente zu vermindern wird damit, neben der Erbschaftsteuervermeidung und der Erhaltung des Familienfriedens, neues Gestaltungsziel.
Gerhard Lochmann, Rechtsanwalt und Schweizerischer Honorarkonsul in Emmendingen bei Freiburg i.Br.
- Autorin: Monika Uwer-Zürcher / Bilder: muz, privat